Freitag, 28. April 2017

Der Papst in Ägypten

Giuseppe Rusconi hat für "rossaporpora" Pater Samir Khalil Samir zur bevorstehenden Papstreise nach Ägypten interviewt.
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"DER PAPST IN ÄGYPTEN:  INTERVIEW MIT DEM JESUITEN SAMIR KHALIL SAMIR"

Zum breitgefächerten Gespräch mit dem ägyptischen jesuitischen Islamologen über die bevorstehende Reise von Papst Franziskus nach Ägypten.
Wer und wieviele sind die Kopten? Orthodoxe Kopten und Katholiken. Die forschreitende Islamisierung Ägyptens auch Dank der Gelder aus Saudi-Arabien. Nasser und das Oberhaupt der Muslimbrüder. Al-Azhar, der Koran aus Mekka und der aus Medina. Die Kreuzzüge, die Reaktion von Fundamentalisten? Aufrichtige Muslime, die Erwartungen, was der Papst sagen wird.

"In einem Palazzo an der Ecke des Platzes Santa Maria Maggiore, da wo die Via Carlo Alberto beginnt, die zur Piazza Vittorio führt hat eine besondere Institution Raum gefunden, die vor 100 Jahren von Benedikt XV gegründet wurde: das Päpstliche Orientinstitut "Sitz für Höhere Studien zu Fragen des Orients".
1922 hat Pius IX es den Jesuiten anvertraut und in deren Händen ist es bis heute- 2017- geblieben.
Und dort finden wir deshalb einen ziemlich bekannten Jesuiten, einen Islamologen mit gutem internationalen Ruf, den wir darum bitten wollen, ein Licht auf die wichtige apostoligische Reise zu werfen, die Franziskus morgen und übermorgen nach Ägypten unternehmen wird:
es ist Pater Samir Khalil Samir. Am 19. Januar 1938 in Kairo geboren, seit 1955 Jesuit, seit 43 Jahren Dozent am Päpstlichen Orient-Institut und seit 31 Jahren auch an der Sankt-Joseph-Universität in Beirut, wo er ein Zentrum für Dokumentation und Arabisch-Christliche Forschung (CEDRAC) gegründet hat und leitet.

79 Jahre alt, in guter Form, mit einem weißen Bärtchen und lebhaften, neugierigen Augen hat Pater Samir- der u.a. auch erstrangige Mitarbeiter der Spezialsekretärs der Bischofssynode zum Mittleren Orient (10.-24. Oktober 2010) war, hochgeschätzt von Benedikt XVI - uns in einem Raum im ersten Stock empfangen.
Und das Gespräch hat lange gedauert.
Wir erinnern daran, daß Papst Franziskus am ersten Tag den ägyptischen Präsidenten al-Sisi (mit entsprechenden Reden), den Groß-Imam von Al-Azhar (dto) den koptischen Papst Tawadros II (dto) treffen und am Abend von 300 Jugendlichen begrüßt werden wird, Am zweiten Tag sind eine Messe im Stadion der Luftwaffe (25.000 Plätze), ein Mittagessen mit den ägyptischen Bischöfe und eine Begegnung mit dem Klerus und den Seminaristen Ägyptens (Rede des Papstes) vorgesehen.
AL-SISI; PRAKTIZIERENDER MUSLIM: DER GLAUBEN UND POLITIK MEHR TRENNEN WILL

Der derzeitige Präsident al-Sisi präentiert sich nicht als muslimischer Fundamentalist....

"Dort hingestellt nach dem Militärputsch, erscheint Al-Sisi als praktizierender Muslim, der aber seinen Glauben nicht mit der Politik vermischen will. Ich denke, daß er die Dinge ändern will, aber nicht kann , wenn man die starken Widerstände aus den Islamischen Organisationen und auch an der Universität al-Azhar bedenkt.  In der hatte er im Dezember 2014 eine Kulturrevolution bei der heutigen Interpretation des Korans und der Haltung gegenüber den Frauen gefordert."

Auf Al-azhar kommen wir noch zurück. Jetzt, Pater Samir, sagen Sie uns, wieviel im Inneren der Islamisierung Ägyptesn der ISlam wiegt, der allgemein als fundamentalistisch definiert wird.

"Er wiegt sehr viel, weil er Teil des Volkes ist: für den Ramadan organisieren Islamistische Organisationen z.B. die Verteilung von Speisen für alle. Dann helfen sie Familien in finanziellen Schwierigkeiten. Die Islamisten zitieren den Koran mit jedem Satz. Es ist evident, daß die Leute sie deshalb für die "wahren Muslime" halten. Sie präsentieren sich dem Volk - nicht den Intellektuellen: für den Ramadan organisieren sie Mahlzeiten mit der Verteilung von Suppe, symbolische und konkrete Dinge."

WIE MUSLIMISCH SIND DIE ISLAMISTEN?
Aber wie muslimisch sind die muslimischen Fundamentalisten? 

"Sie sind sicher Muslime. wenn man bedenkt, daß sie von den Menschen als "die muslimischsten" angesehen werden, weil sie den Buchstaben, die Regeln der islamischen Tradition befolgen. z.B. freitags - zur Stunde des Gebets - ist es unmöglich durch die Straßen Kairos zu gehen: alle Fußwege sind von Muslimen im Gebet besetzt, wie die Via Jenner in Mailand. Ich erinnere mich durch sie hindurch gegangen zu sein, ich habe zu ihnen gesagt: "Der Fußweg ist für alle da."
 AL- AZHAR, DER KORAN UND DIE SUNNA
Kehren wir zu Al-Azhar zurück....

"Das ist nicht primär eine Universität im westlichen Sinne, weil ihre Aufgabe ist, die Imame auszubilden. Sie ist im Wesentlichen eine große islamische theologische Fakultät. Der problematischste und schwerwiegendste Aspekt ist, daß mit den Jahren der Inhalt der Lehre sich nicht geändert hat: die Bücher sind die des XIV. Jahrhunderts. Die Bücher beruhen auf Manualen der vergangenen 7 Jahrhunderte, dem Koran der vergangenen 14 Jahrhunderte. Alles das , was ISIS tut, findet man im Koran oder der Sunna, das ist die Sammlung der Taten und Aussagen Mohammeds."
KORAN UND EVANGELIUM
Was antworten Sie: wenn der Koran auf 14 Jahrhunderte zurückgeht, muß man für das Evangelium auf zwanzig zurückgehen.....

"Der fundamentale Unterschied besteht im Inhalt der beiden Texte. Im Evangelium gibt es keine Passage in der gesagt wird:"Ihr müßt jemanden umbringen" . Auch wenn in einem von einer Ohrfeige gesprochen wird, muß man die auch die andere Wange hinhalten.
Der Koran dagegen ist voller Gewalt. Außerdem würde kein Christ daran denken, jede Geste Christi buchstäblich anzuwenden, sondern würde versuchen sie für heute zu überdenken: während diese Muslime alle Worte und Taten ihres Gründers materiell reproduzieren wollen."

DER KORAN AUS MEKKA UND DER KORAN AUS MEDINA
Es gibt auch einen ersten Teil des Korans, der eher friedlich ist.....

"Ja, das ist der Teil, der den Aufenthalt Mohammeds in Mekka betrifft, als er akzeptiert werden wollte: in dem Teil sind seine Reden weich, und für alle eingängig. In den ersten beiden Jahren in Medina unterhielt Mohammed gute Beziehungen mit den hebräischen Stämmen arabischer Sprache:
er lernte, glich sich an und übersetzte....z.B. gab es das Fasten am Ramadan ursprünglich nur an einem Tag- am jüdischen Yom Kippur: die Gebetsrichtung war Jerusalem nicht Mekka etc. ....
Dann - nachdem Mohammed auch Teile des Alten Testaments adaptiert hatte, schlug er den Juden vor, ihn als Propheten anzuerkennen. Auf ihre höfliche Weigerung folgte die Rache.

Und in diesem Augenblick kam die Gewalt in den Koran?

"In der Tat, in einem Vorwand eines jüdischen Nachrichtenverrats über ihn zugunsten seiner Feinde in Mekka. Mohammed ließ  im Februar 627 die wichtigsten Persönlichkeiten des jüdischen Stammes abschlachten, die Banu Qurayzh: 600 bis 800 Enthauptete, nach muslimischen Historikern, Und dann folgte ein Krieg dem anderen.

Wenn man also den Koran zum Thema Gewaltlosigkeit im Glauben zitiert, bezieht man sich nur auf den ersten Teil des Korans, den von Mekka. Wenn man behauptet, der Islam sei eine Religion des Friedens bezieht man sich nur auf diesen ersten Teil. Aber um eine objektive Information zu geben. muß man die ganze Geschichte von Mohammed kennen: und das trifft bei denen, die sich als absolute und irenistische Richter über den Islam zu geben wagen, nicht immer zu.

Im Koran gibt es Gewalt und Gewaltlosigkeit, wie ich in einem Büchlein gezeigte habe. das diesen Titel trägt. So muß man den Islam als Ganzes verstehen. Wollen Sie der einen Richtung folgen? Nehmen Sie eine Sure à la carte. Wollen sie der anderen folgen? Nehmen auch Sie eine Sure à la carte. Keiner wird enttäuscht werden."

PAPST FRANZISKUS? ER HAT MICH FÜR EINE HALBE STUNDE EMPFANGEN
Pater Samir, haben Sie Papst Franziskus getroffen um über diese Argumente gesprochen? 

"Ja, Montag, 2. Juni 2016. Für eine halbe Stunde. Der Papst saß in Santa Marta in seiner kleinen Wohnung. Er hat mir sofort gesagt, daß er das zerrissene Band zu Al-azhar unbedingt wieder"zusammennähen" wolle, die jeden Kontakt zum Vatican in den letzten Jahren Benedikts XVI, des Autors der berühmten Lectio magistralis "Glaube, Vernunft und Universität- Erinnerungen und Überlegungen", die er am 12. September 2006 in Regensburg gehalten hatte.
Die Lectio verursachte bei Leuten, die den Text nicht einmal gelesen hatten, Massenproteste und zig Gewaltakte. Deshalb hat Papst Benedikt XVI- nach dem Bombenattentat in einer koptischen Kirche von Alexandria ( in der Nacht zum 1. Januar 2011, mit 21 Toten und 79 Verletzten) die ägyptische Regierung gebeten, wirksame Maßnahmen zum Schutz der  religiösen Minderheiten zu ergreifen".
Sofort danach hatte der Imam von Al-azhar beschlossen, die Beziehungen zum Vatican abzubrechen.

Kann man daraus schließen, daß Papst Franziskus bereit ist, alles zu tun?

Ja, sein Ziel ist es, alles zu tun, um sich öffentlich mit der muslimischen Welt zu versöhnen. Für ihn sind alle Religionen Religionen des Friedens und alle Religionen haben ihre Fundamentalisten.
Das geht auch aus seinen Stegreifäußerungen hervor, wenn er die Fragen der Journalisten während päpstlicher Flüge beantwortet. Wie bei dem Rückflug der apostolischen Reise nach Polen, als er die Gewalt der muslimischen Fundamentalisten mit denen von Männern in Italien, einem katholischen Land, gleichsetzte, die ihre Freundin oder Schwiegermutter ermorden. ...
Tatsache ist, daß der Papst den Islam durch einen braven Imam in Buenos Aires kennen gelernt hat.

DIE KREUZZÜGE: REAKTIONEN AUF EINE ISLAMISCHE AGGRESSION 

Sie haben vor dem Interview von einer Episode erzählt, die vor einem Monat in der Türkei stattfand....

Am Rand einer Konferenz, die am 24. März in Tunis stattfand, hat mir einer der Redner  vergangenen die Existenz einer christlichen Gewalt vorgeworfen und als Beipiel die Kreuzzüge genannt. Das ist ein falsches Beispiel, weil die Kreuzzüge kein Akt aus christlicher Initiative waren, sondern durch eine Entscheidung des ägyptischen Sultans- al Hakim bi-amr Allah- provoziert wurden, der 1009 seinen Sekretär, einen melkitischen Christen angewiesen hatte, einen Brief an die Gouverneure der Provinzen zu schreiben, die sich bis nach Syrien ausdehnten, beginnend mit Jerusalem. Am 18. Oktober wurde die Basilika des Hl. Grabes völlig zerstört und in den Tagen der byzantinischen Kais wiederaufgebaut und 1048 vollendet unter Costatino Monomaco.
Weitere zig Kirchen wurden in Syrien und Palästina teilweise zerstört, was die Antwort der Kreuzzüge auslöste.

Man kann nicht leugnen, daß zur Zeit der Pilgerschaft nach Jerusalem und zum Hl.Grab für die Christen ein sehr wichtiger Akt zur Vergebung der Sünden war....

"Sicher. Nachdem sie die Wirkungen der Anordnung des Sultans gesehen hatten, kamen die Pilger nach Jerusalem und dann - zurückgekehrt - brauchten die Nachrichten Jahre bis sie an die Ohren des Papstes gelangten. Da entstand der Kreuzzug - eine Reaktion auf die muslimische Aggression, Die Kreuzzüge waren Ausdruck einer Verteidigung- gerechtfertigt in der Ethik der Epoche."

ISIS IST VOLLKOMMEN MUSLIMISCH: ES GENÜGT DIE FAHNE ZU BETRACHTEN---

Sie assoziieren oft die Christen mit der Kolonialisierung

"Und ich stelle fest: "Was sagen Sie? Sie wechseln von der Religion zur Politik. Tatsächlich hat Christus nie gesagt: geht und kämpft. Sie tun das im Namen Allahs."

Sie sagen, daß ISIS nicht islamisch ist? Dann betrachten Sie doch mal seine Fahne. Sie ist schwarz wie die von Mohammed.  Sie trägt eine Aufschrift:"Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist der Prophet Allahs" Das ist das islamische Glaubensbekenntnis. Darunter sehen sie einen Säbel, wie den, der auch auf der saudiarabischen Fahne ist. Mehr islamisch als das... ? Außerdem haben alle fundamentalistischen Organisationen ihren Imam, der darüber entscheidet, ob eine bestimmte Handlung legitim ist oder nicht.
Ich gebe noch ein Beispiel. Als ISIS einen jordanischen Piloten gefangen genommen hatte, haben sie ihn in einen Käfig gesperrt und bei lebendigem Leib verbrannt.
Al Azhar hatte reagiert und festgestellt, daß dieser Akt unislamisch gewesen sei, weil nach einer Aussage Mohammeds die Feuerstrafe Allah allein vorbehalten ist. Leider gibt es auch eine andere Aussage Mohammeds. Sie brachten ihm zwei Männer, die bei einer sexuellen Handlung überrascht worden waren. Er sagte: "verbrennt sie und werft ihre Körper in die Wüste"
Diese Vielfalt möglicher Zitate sind eine Tragödie für den Islam."

ICH HOFFE, DASS PAPST FRANZISKUS VOM BÜRGERRECHT DER CHRISTEN SPRICHT

Was kann man vom Besuch des Papstes in Ägypten erwarten, morgen und übermorgen? 

"Was die Begegnung mit Präsident Al-Sisi angeht. wie gesagt, einem guten Muslim, der aber auch die politische Sphäre von der religiösen trennen möchte, würde ich erwarten, daß der Papst auf der Notwendigkeit besteht, daß die Christen in Ägypten als Bürger wie alle angesehen werden. Seit Jahren fordern wir, daß das Bürgerrecht wichtiger ist als die Religionszugehörigkeit und wir hoffen, daß sich diesesmal etwas in diesem Sinne bewegt."

Und was erwarten Sie von der Rede in der Al-Azhar Universität?

"Ich denke, daß er eine Rede besonders über die Gewaltlosigkeit halten wird. Ich hoffe, daß er sich auch auf die Religionen bezieht. Es muß gelingen, zu begreifen, daß Al-Azhar für sich selbst spricht, nicht für ganz Ägypten."

Die apostolische Reise wird auch einen wichtigen ökumenischen Aspekt haben....

"und das wird sicher eine Unterstützung und Ermutigung für die ägyptischen Christen sein, die unter der Gewalt der fundamentalistischen islamischen Gruppen leiden. Papst Franziskus wird er bei seiner Reise vom Patriarchen Bartholomäus begleitet und die Begegnung mit dem koptisch-orthodoxen Papst Tawadros - wird die konkrete und ausgedehnte Zusammenarbeit mit den Brüdern stärken.
Wie Sie sehen, bin ich von Natur aus optimistisch, Ich hoffe natürlich, daß ich mich nicht korrigieren muß."

Quelle: rossoporpora, Giuseppe Rusconi


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