Samstag, 14. April 2018

Sandro Magister: "War Luther Autor der Bergoglio-Reformen?" Fortsetzung.....

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5. Das war die Situation, die Papst Franziskus geerbt hat. Ich beschränke mich darauf, nur auf die biographischen und kulturellen Aspekte hinzuweisen, die Jorge Mario Bergoglio "ab initio" zu einem Außenseiter dessen, was ich "Römischen Katholizismus" nenne, machten.

- der periphere Charakter seiner Bildung, tief verwurzelt in der Lateinamerikanischen Welt, die es für ihn schwer macht, die Universalität der Kirche zu verkörpern, oder zumindest ihn dazu zu bringen, auf eine neue Weise zu leben, sich auf die  Seite der europäischen und nordamerikanischen Zivilisation zuzubewegen. Seine Mitlgiedschaft in einem Orden- wie der Gesellschaft Jesu- der während der letzten halben Jahrhunderts die sensationellste politisch-kulturelle Neupositionierung der jüngeren Geschichte in die Tat umgesetzt hat- indem er sich von einer "reaktionären" Position zu einer, die wahlweise "revolutionär" ist, bewegte und deshalb Proben eines Pragmatismus lieferte, der in vielen Aspekten einer Überlegung wert ist-
seine Entfremdung von der äasthetischen Dimension, die dem "Römischen Katholizismus" eigen ist, seinen showartigen Verzicht auf jedes Anzeichen von der Würde des Amtes (das Päposltiche Apartment, die rote Mozzetta und die üblichen pontifikalen Aufmachungen, die Residenz in Castel Gandolfo) und was er die "Gebräuche eines Renaissance-Prinzen" nennt (beginnend mit der Verspätung und dann Abwesenheit bei einem Konzert mit klassischer Musik zu seinen Ehren am Anfang seines Pontifikates).

Ich würde eher versuchen, das zu betonen, was meiner Meinung nach, das einigende Element der vielen Mutationen ist, die Papst Franziskus in die Katholische Tradition einführt.

Dabei stütze ich mich auf ein kleines Buch eines berühmten Kirchenmannes, der im allgemeinen als der "Haus"theologe des aktuellen Pontifikates betrachtet und von Franziskus -seit seinem ersten Angelus am 17.März 2013- als er sagte "in den letzten Tagen habe ich das Buch eines Kardinals über die Barmherzigkeit gelesen, von Kardinal Kasper einem klugen, einem guten Theologen. Und dieses Buch hat mir so viel Gutes getan, so viel Gutes."

Kardinal Kaaspers Buch, auf das ich mich beziehe, trägt den Titel "Martin Luther. Eine ökumenische Perspektive" und es ist die überarbeitete und erweiterte Fassung einer Konferenz, die der Kardinal am 18. Januar 2016 in Berlin veranstaltet hat. Das Kapitel, auf das ich aufmerksam machen möchte, ist Kapitel 6. "Die ökumenische Bedeutung Martin Luthers."



Das ganze Kapitel baut sich auf der zweigleisigen Argumentation auf, nach der Luther vor allem dadurch dazu gebracht wurde, den Bruch mit Rom zu vertiefen, daß die Päpste und Bischöfe sch weigerten, eine Reform durchzuführen. Nur angesichts der Römischen Taubheit-schreibt Kasper- mußte sich der deutsche Reformator -auf der Grundlage seines Verständnisses des universellen Priestertums - mit einer Notlösung begnügen. Er habe aber weiterhin auf die Tatsache vertraut, daß die Wahrheit des Evangeliums sich von allein durchsetzen würde und habe deshalb die Tür für eine mögliche spätere Einigung offen gelassen."

Aber auch auf katholischer Seite blieben zu Beginn des 16. Jahrhunderts viele Türen offen und bald gab es eine Situation, die im Fluss war, schreibt Kasper: "Es gab keine harmonisch strukturierte Katholische Ekklesiologie, sondern nur Annäherungen, die eher eine Hierarchie-Doktrin waren, als eine wirkliche und ordentliche Ekklesiologie. Die systematische Ausarbeitung der Theologie wurde erst in einer kontroversen Ekklesiologie stattfinden, als eine Antithese zur Polemik der Reformation gegen das Papsttum. Das Papsttum wurde so -auf gewissse Weise- bis dahin unbekannt, das Unterscheidungsmerkmal des Katholizismus. Die entsprechenden Glaubensthesen und -Gegenthesen haben sich gegenseitig beeinflußt und behindert."

Deshalb muß man heute- nach der Hauptbedeutung von Kaspers Argumentation- mit einer "Dekonfessionalisierung" beider beginnen. sowohl der Reformierten Konfessionen als auch der Katholischen Kirche- trotz der Tatsache, daß diese sich nie als eine "Konfession" dargestellt hat sondern als die Universale Kirche. Man muß zu etwas wie der Situation zurückkehren, die dem Ausbruch der Religionskonflikte im 16. Jahrhundert vorausging.

Während im Luther-Lager diese "Dekonfessionalisierung" bereits größtenteils vollendet ist (durch eine aggressive Säkularisierung jener Gesellschaften, für die die Probleme zu Beginn der konfessionellen Kontroversen für die überwältigende Mehrheit der "reformierten" Christen irrelevant geworden sind) im Katholischen Lager dagegen muß noch viel getan werden, besonders wegen des Weiterbestehens von Aspekten und Strukturen dessen, was ich "Römischen Katholizismus" nennen würde. Deshalb geht die Einladung zur "Dekonfessionalisierung"vor allem an die Katholische Welt. Kasper beschwört das als die "Wiederentdeckung der ursprünglichen Katholizität, die nicht durch einen konfessionellen Standpunkt eingeschränkt ist."

Zu diesem Zweck wäre es nötig, der überbordenden Tridentinischen Ekklesiologie und der des I. Vaticanums ein Ende  zu machen.
Nach Kasper habe das II.Vaticanische Konzil diesen Weg wiedereröffnet, aber dessen Rezeption war kontrovers und alles andere als geradlinig. Das bringt uns zur Rolle des amtierenden Pontifex.
"Papst Franziskus hat eine neue Phase in diesem Rezeptionsprozess eingeleitet. Er betont die Ekklesiologie des Gottesvolkes. des Gottesvolkes auf dem Weg  und bringt für das Verstehen der Einheit eine interessante neue Zugehensweise ins Spiel.
Er beschreibt die ökumenische Einheit nicht länger mit dem Bild konzentrischer Kreise um ein Zentrum, sondern mit dem Bild eines Vielecks, einer vielseitigen Realität, nicht mit einem Puzzle, das man  von außen zusammensetzen muß, sondern einem ganzen Bild, - weil es wie eine Sache mit einem wertvollen Stein ist, einem ganzen, der das Licht auf vielfältige und wundervolle Weise reflektiert. Indem er sich mit Oscar Cullman verbindet, leiht Papst Franziskus sich das Konzept der "versöhnten Untersschiedlichkeit."

6. Wenn wir in diesem Licht kurz das Verhalten von Franziskus überdenken, das die größten Sensationen ausgelöst hat, verstehen wir seine zugrundeliegende Logik besser: 

 - seine Betonung seines Amtes eher als das des Bischofs von Rom als des Pontifex der universalen Kirche- vom Tag seiner Wahl an.

- seine Dekonstruktion der kanonischen Person des Römischen Pontifex (das berühmte "who am I to judge?") der nicht nur die zuvor erwähnten charakterisitischen Faktoren zugrunde liegen sondern auch-aus tieferen Gründen- ihre theologische Natur.

-das praktische Herabstufen eines der wichtigsten Sakramente des Katholischen Denkens (das Beichtehören, die unauflösliche Ehe, die Eucharistie) -aus pastoralen Gründen der "Barmherzigkeit" und der "Akzeptanz":

-der Lobpreis der "Parrhesia" innerhalb der Kirche, angeblich kreativer Verwirrung, zu der eine Vision der Kirche fast als einer "Föderation von Ortskirchen" die mit extensiven disziplinarischer, liturgischer und sogar doktrinaler Macht ausgestattet sind.

Da sind die, die es als Skandal empfinden, daß in Polen eine Interpretation von "Amoris Laetitia" in Kraft treten wird, die sich- in dem was die Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen angeht -von der unterscheidet, die in Deutschland und Agentinien verwirklicht wird.
Aber Franziskus könnte antworten, daß das nur eine Sache der verschiedenen Seiten dieses Vielecks sei, das die Katholische Kirche ist, der man früher oder später- warum nicht-die post-lutherischen Reformierten Kirchen hinzunehmen könnte- genau in einem Geist der "Versöhnten Vielfalt".

Auf diesem Weg ist es leicht, vorherzusehen, was der nächste Schritt beim Neudenken der Katechese und der Liturgie in ökumenischem Sinne-sein wird, auch hier mit einer Reise, die die Katholische Seite, die mehr beansprucht als die Protestantische, wenn man die unterschiedlichen Ausgangspunkte bedenkt- in einem Herabsetzen der Hl. Ordnung in ihrem katholischsten Aspekt- des kirchlichen Zölibats besteht, mit dem Ergebnis, daß die Katholische Hierarchie sogar aufhören wird, die 
Schmitt´sche "Hierarchie der Zölibatäre" zu sein.

Man versteht dann die wirkliche Begeisterung über Person und Werk Luthers besser, die an der Spitze der Katholischen Kirche anläßlich des 500. Jahrestages von 1517 produziert wurde, bis hin zur kontroversen Briefmarke, die das Vaticanische Postamt ihm widmete- die ihn und Melanchthon zu Füßen des Kreuzes Christi zeigte.

Ich persönlich habe keinen Zweifel, daß Luther einer der Giganten der "universalen Geschichte" ist-wie er allgemein genannt wird- aber daß es "modus in rebus" ist, daß alle Institutionen eine Art Bescheidenheit haben müssen, wenn sie Umwälzungen dieser Art ausführen- auf die selbe Weise-  die wir-auf lächerliche Weise-im 20. Jahrhundert erleben konnten, als wir sahen, wie die Kommunisten unisono und auf Kommando die "Ketzer" die sie vorher so eifrig bis einen Tag bevor der "kameradschaftliche Gegenbefehl- aus den Karikaturen Giovaninno Guareschis- kam, verdammt und bekämpft hatten.

7.
Wenn also gestern der "Römische Katholizismus" in der Moderne als Fremdkörper wahrgenommen wurde, was nicht verziehen werden konnte, ist es nur natürlich, daß seine Dämmerung jetzt von der "Modernen Welt " in ihren politischen, medialen und kulturellen Institutionen gepriesen wird und der amtierende Pontifex deshalb als der betrachte werden sollte, der diesen Bruch zwischen der Kirchenhierarchie und der Welt der Information und internationalen Organisationen von "think tanks" heilt, der 1968 mit "Humanae Vitae" entstand und während der folgenden Pontifikate tiefer wurde.

Und es ist auch natürlich, daß Kirchengruppen und-kreise , die schon in den 1970-ern auf eine Überwindung der Tridentinischen Kirche hofften und das II.Vaticanum aus dieser Perspektive interpretierten, die während der vergangenen 40 Jahre unter einer Decke lebten, jetzt ins Freie gekommen sind und mit ihrer Kirche-und Laienerben Teile dieses "brain-trust" sind, der am Anfang erwähnt wurde.

Es bleiben jedoch mehrere Fragen ungeklärt, die weitere Überlegungen erfordern, die nicht einfach sind.

Wird die von Papst Franziskus und seiner "entourage" ausgeführte Operation ausdauernden Erfolg haben oder wird sie damit enden, innerhalb der Hierarchie und dem was vom Katholischen Volk übrig geblieben ist, auf Widerstand treffen- der größer ist als die entschieden marginalen Formen, die sich bisher gezeigt haben?

Und allgemeiner-welche Konsequenzen könnte das auf die gesamte kulturelle, politische und religiöse Geschlossenheit der Westlichen Welt haben, die-obwohl sie eine höhere Ebene der Säkularisation erreicht hat- lange als eine ihrer tragenden Strukturen eben den "Römischen Katholizismus" hatte?

Aber es wäre vorzuziehen, daß Historiker keine Prophezeiungen machen sondern sich darauf beschränkten, wenn es ihnen möglich ist- etwas von dem, was gerade passiert, zu verstehen. 

Quelle: Settimo Cielo, Sandro Magister


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