Montag, 26. Juni 2017

Die Kirche und ihre Dissidenten.....

A. Gagliarducci kommentiert in "Monday in the Vatican" den unterschiedlichen Umgang der Kirche und der öffentlichen Meinung zu unterschiedlichen Zeiten mit Dissidenten.
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        "DIE KIRCHE UND DIE DISSIDENTEN"

"Während der Tage, in denen ein Brief der vier dubia-Kardinäle an Papst Franziskus veröffentlicht wurde, hat dieser den Gräbern von Pater Primo Mazzolari und Pater Lorenzo Milani einen Halbtagesbesuch abgestattet, um zu beten.  Der Papst hat so zwei Priester geehrt, die ihrer Zeit weit voraus waren und auch vom Sant´ Uffizio- der heutigen Glaubenskongregation- sanktioniert worden waren.

Äußerlich hatten diese beiden Fakten nichts mit einander zu tun. Dennoch sind sie miteinander verbunden und sie zeigen auch den Geist der Zeit, in der wie leben.
Es muß gesagt werden, daß der Papst nicht direkt für diesen Zeitgeist verantwortlich ist. Aber dieser Geist erhält einiges von seiner Zugkraft durch eine starke, um ihn herum aufgebaute Agenda.

Wer waren die Patres Primo Mazzolari und Lorenzo Milani? Beide waren Pfarrgemeindepriester, die zu verschiedenen Zeiten ein ähnliches Leben lebten.
Der Erste, stark antifaschistisch, hat nach dem 2. Weltkrieg viele Beiträge zur Soziallehre veröffentlicht und sich dabei besonders auf Gewaltlosigkeit und Abrüstung fokussiert.
Der Zweite, ein zum Katholizismus konvertierter Agnostiker, trat relativ schnell ins Priestertum ein. Aus einer sehr reichen Familie stammend, ließ er alles zurück, wurde Priester, arbeitete in einer Gemeinde und wurde nach Barbiana entsandt, einem Dorf in der Gegend von Florenz, wo er eine Schule mit speziellen Lehrmethoden gründete.

Beide-Pater Mazzolari und Pater Milani-wurden wegen ihrer Schriften vom Sant´ Uffizio überprüft.
Pater Mazzolari wurde verboten, Herausgeber des von ihm gegründeten Magazins "Adesso" zu sein und sogar außerhalb seiner Diözese zu predigen. Pater Milani erlebte, daß eines seiner Bücher durch das Sant´Uffizio in den Index der Verbotenen Bücher aufgenommen wurde.
Beide jedoch akzeptierten jede lehramtliche Entscheidung. Pater Milani bat sogar immer wieder um die Unterstützung seiner Bischöfe, damit sein Werk nicht als privates Faktum betrachtet werden konnte.

Man muß sich daran erinnern, daß beide in einer Zeit lebten- den 50-er und 60-er Jahren, die von einer kräftigen vorkonziliären Diskussion geprägt war, aber auch durch eine starke soziale Debatte, die in die 68-er-Bewegungen mündete. Und man muß bedenken, daß das Sant´Uffizio strenger war als heute: zu der Zeit war es seine Politik eine Warnung auszuprechen, wann immer eine doktrinale Abweichung festgestellt wurde.

Es ist aber auch eine Tatsache, daß der Gehorsam der Patres Milani und Mazzolari gegenüber der Kirche nie in Frage gestellt wurde.

Warum wurden sie dann als störende Priester angesehen? Wieder wegen den Zeit, in der sie lebten.
Während sie zu Kritik an den  Bischöfen einluden und zur Praxis des gewissenhaften Widerspruchs, wurde -als Folge der präkonziliären Debatte- jede Form von Autorität in Frage gestellt.
So mußten die Patres Milani und Mazzolari zwangsläufig Sympathieobjekte derer werden, die die Kirche als Institution angriffen. Das geschah trotz ihres Handelns nicht wegen ihres Handelns.





Die Kultur, die sich später entwickelte, war immer durch diesen individualistischen, antisozialen systemischen Hintergrund geprägt. Das ist der Grund, warum diese beiden Priester als Symbole eines Kampfes gegen das Sozialsystem und somit gegen die Kirchenhierarchie behandelt wurden.

Das sind auch die Gründe, warum sie von den Medien als "perfekte Dissidenten" hochgeschrieben wurden. Die Ehre, die der Papst ihnen erwiesen hat, wurde so als Legitimierung des Abweichens von einer "geschlossenen Kirche" zugunsten einer offeneren Kirche interpretiert.

Wenn diese Formen des Dissens positiv gesehen werden. gibt es andere Stimmen, die nicht die gleiche Sympathie genießen. Ein Beispiel dafür sind die vier dubia-Kardinäle.

Ob man die Art, wie diese Kardinäle daran arbeiten ihre Zweifel und deren Gründe bekannt zu machen teilt oder nicht, kann man nicht leugnen, daß sie einen Fall darstellen. der den der Patres Milani und Mazzolari. Sie sind dissident, weil sie den Mut haben über den mainstream hianuszugehen, um die Probleme anzugehen, die jeder für gelöst hielt, wie das der Sünde und der Lehre. Sie haben den Mut, Kritik vorzubringen-aber immer mit Worten kindlicher Zuneigung für den Papst, dem sie Respekt und Gehorsam versichern.
Auf alle Fälle schockiert sie eine bestimmte öffentliche Meinung, die jetzt komplett auf soziale Themen konzentriert ist und Themen der Lehre aus dem Blick verloren hat.

Gegen diese Parallele kann man einwenden, daß- anders als die beiden Italienischen Priester, sind die vier Kardinäle hinter den dubia nicht von der Glaubenskongregation ermahnt worden.
Wahr.
Auch wahr ist, daß sich die Zeiten geändert haben und daß die Glaubenskongregation starke Bescheide nur in schweren Fällen, die Formen von Häresie veröffentlichen. Außerdem waren- beginnend mit Joseph Ratzinger als Präfekt- die Dokumente der Glaubenskongregation in ihrer Struktur dialogisch, getreu dem Modell des II. Vaticanischen Konzils- für den Dialog mit der Welt.

Über jeden Einspruch hinaus, scheint es, daß die öffentliche Meinung akzeptiert hat, daß es einen "guten" und einen "bösen" Dissens gibt. Guter Dissenz wird als "links" angesehen und will, daß die Kirche mit Welt dialogisiert und die "Sprache der Welt" benutzt. Ihre Schlagworte sind "offene Kirche" und "inklusive Kirche", eine Kirche die fähig ist, die Zeichen der Zeit zu lesen.

"Böser Dissens" ist das Etikett, das jeder erhält, der die Sprache der Kirche sprechen, die Wahrheit des Glaubens zu wiederholen und dotrinalen Themen volle Aufmerksamkeit zu schenken, werden von vielen in der Kirche heute als sekundär angesehen.

Aber den Diskurs in guten und bösen Dissens zu teilen,bedeutet, der Kirche eine Vision aufzuzwingen, die aus der Wetl kommt, und von vornherein zu entscheiden, was gut ist und was nicht. Auf diese Weise endet jede Diskussion von selbst.

Passiert das heute in der Kirche? Sicher ist es das, was man in der öffentlichen Meinung wahrnehmen kann. Die öffentliche Meinung niegt immer mehr dazu, der Kirche zu sagen. was sie zu tun hat und wie sie sein soll. Die öffentliche Meinung will auch bei den inneren Entscheidungen der Kirche Gewicht haben, für die sie sehr sensibel sind.

Warum interessiert sich die säkulare Welt so sehr für kirchliche Ernennungen? Die Antwort basiert darauf, daß die sälulare Welt über den. der ernannt wird, vielleicht mehr oder weniger Einfluss ausüben kann, als es vielleicht der Fall ist.

Es scheint so, daß wir auf diese Weise die letzten Jahre des Pontifikates Hl. Johannes Pauls II  noch einmal erleben, als das Thema der Identität der Katholischen Kirche zweitrangig wurde und der Dialog mit der Welt eines der Kriterien als Basis vieler Entscheidungen, einschließlich von Bischofsernennungen.

Das Pontifikat von Papst Franziskus kann auch als eine Art Rechtfertigung derer gelesen werden, die am Ende des Pontifkates des Hl. Johannes Pauls II an der Spitze standen, wie manche Beobachter festgestellt hat.
Diese Leute haben  unter Papst Benedikt XVI die Macht verloren. Der erste Vatileaks-Prozess ist ein Ergebnis dieses Machtübergangs.

Wie hat diese Rechtfertigung stattgefunden? Ein Beispiel kann in der Entscheidung von Papst Franziskus gesehen werden, Karl Jozef Rauber zum Kardinal zu kreieren. Rauber war Nuntius in Belgien, aber seine Empfehlung als Nachfolger von Kardinal Godfried Daneels als Erzbischof von Brüssel wurde nicht in Erwägung gezogen: Papst Benedikt wählte Erzbischof André Joseph Leonard, während  Rauber Jozef De Kezel an die Spitze der Terna gesetzt hatte. Papst Franziskus ernannte de Kesel als Nachfolger von Erzbischof Leonard und er bekam sofort das rote Birett, das Erzbischof Leonard  verweigert wurde.

Kardinal Gualtiero Bassetti, Erzbischof von Perugia und der neue Präsident der Italienischer Bischofskonferenz war 2008 als Erzbischof von Florenz vorgesehen, aber Papst Benedikt wählte statt dessen  Kardinal Giuseppe Bertori.

Das sind nur einige Beispiele für die Rechtfertigung. Aber die Distanz zwischen diesen beiden Welten wird durch eine Tatsache angezeigt. Kardinal Betori war derjenige der darum bat, daß Pater Milanis Bücher vom Index der Verbotenen Bücher genommen werde.
Dennoch schließt Bertori die Möglichkeit eines Seligsprechungsprozesses für Pater Milani aus.
Inzwischen hat Kardinal Bassetti erklärt, daß für ihn PaterMilani ein Heiliger ist. Dieser Unterschied in der Sichtweise zeigt einen unterschiedlichen Zugang.

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