Montag, 10. April 2017

Wo bleiben die "unverhandelbaren Prinzipien" der Kirche? Sandro Magister erteilt Antonio Caragliu das Wort.

Sandro Magister kommentiert die derzeitige Position der Kirche zur Euthanasiediskussion und veröffentlicht bei Settimo Cielo einen Brief von Antonio Caragliu, Mitglied der Vereinigung Italienischer Katholischer Juristen zu diesem Thema.
Hier geht´s zum Original:    klicken

"VON LOUVAIN NACH ROM DIE EUTHANASIE DER NICHTVERHANDELBAREN PRINZIPIEN"

" Die Ereignisse an der Katholischen Universität von Louvain, als einer ihrer Philosophie-Professoren suspendiert und am Ende entlassen wurde, weil er in einem Taxt an seine Studenten geschrieben hatte, daß "Abtreibung Mord an einer unschuldigen Person ist" haben großes Aufsehen erregt.
Das überrascht nicht, betrachtet man die Geschichte dieser Universität, die immerhin den Titel "katholisch" trägt, und ihres Krankenhauses, in dem seit einiger Zeit offen Euthanasie praktiziert wird, ungefähr 12 bis 15 mal im Jahr " wie der Rektor der flämischen Zwillingsuniversität von Leuven, der Kirchenrechtler Rik Torfs bestätigt.
Was aber mehr erstaunt, ist die substantielle Zustimmung der belgischen Bischöfe zur Entlassung Professor Merciers.

Ebenso  beunruhigend ist die Zurückhaltung des Zeitung der Italienischen Bischofskonferenz "Avvenire", die es sorgfältig vermieden hat, eine ausführliche Darstellung der Affäre zu veröffentlichen,  wie sie bei "rossoporpora" ausführlich wiedergegeben wurde, und Stellung zu beziehen und die sich darauf beschränkte, zu schreiben " es bleibt zu verstehen, was es bedeutet, was der Sprecher der belgischen Bischofskonferenz gesagt hat."
Vom Schweigen des Papstes einmal ganz abgesehen, der es bei anderen Gelegenheiten nicht versäumte, Abtreibung und Euthanasie "ein schreckliches Verbrechen" zu nennen.

Es gibt in der Tat, eine signifikante Diskrepanz zwischen dem was Papst und Katholische Hierarchie heute über Abtreibung und Euthanasie sagen und dem was sie früher sagten.
Was während der vorherigen Pontifikate "nicht verhandelbare Prinzipien" waren, sind jetzt Realität geworden, die sowohl in politischer als auch pastoraler Hinsicht bedacht werden müssen.

Die Italienische Bischofskonferenz und ihre Zeitung "Avvenire" sind perfekte Beispiele für diese Mutation.
Im Februar 2009. als Italien durch den Fall Eluana Englaro erschüttert wurde, der jungen Frau in einem vegetativen Zustand, deren Leben durch Entzug von Nahrung und Flüssigkeit beendet wurde, schrieb der damalige Herausgeber von Avvenire, Marco Tarquinio, einen flammenden Artikel, in dem er dieses Handeln "Mord" nannte.

Das Klima hat sich geändert. Es sollte genügen, auf die höfliche
mit dem Avvenire sich auf das in Italien zur Diskussion stehende Gesetz-abgekürzt DAT- bezieht, mit dem versucht wird. Gesundheitsdirektiven bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen bei Bewußtlosen zu erlassen.

Ein schreiendes Beispiel für diesen Kurswechsel gibt Francesco Agostino, Professor für Philosophie und Recht an der Römischen Vergata-Universität und der Päpstlichen Lateranuniversität, Präsident der Union Italienischer Katholischer Journalisten, Ehrenpräsident des Nationalen Italienischen Ethik-Komitees, Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben, Redakteur bei Avvenire, kurz gesagt, ein historischer Bezugspunkt für die italienische Kirche in bioethischen Fragen.

Der unten wiedergegebene Brief, wirft ein Licht auf den Kontrast zwischen dem, was Professor d´ Agostino heute zu den fortgeschrittenen Gesundheitsrichtlinien schreibt und dem, was er vor 10 Jahren geschrieben hat.
Autor des Briefes ist der Rechtsanwalt Antonio Caragliu vom Gericht in Triest, auch er Mitglied der Vereinigung Italienischer Katholischer Juristen.

Zunächst zwei Beobachtungen, um seine Äußerungen besser zu verstehen;

Der ehrenwerte Mario Marazzotti, seit 2013 Parlamentsmitglied und Präsident der Kommission für soziale Belange , die sich mit dem DAT-Gesetz befaßt, ist ein hochrangiges Mitglied der Gemeinschaft von St. Egidio , deren Sprecher er viele Jahre war.





Bischof Nunzio Galantino, Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz mit direkter Beziehung zu Papst Franziskus, der ihn 2013 auf diesen Posten stellte und bis 2019 bestätigte, ist de facto der einzige Herausgeber von "Avvenire", über die er die volle Kontrolle hat.

Hier der Brief:

Lieber Magister,
ich finde es interessant, den Leitartikel von Francesco D´Agostino am 30. März 2017 in Avvenire veröffentlicht hat- mit dem Titel "Zu DAT wird ein gutes Gesetz benötigt. Nicht alles ist Euthanasie.
Die Geschichte verlangt Mut " mit einem anderen Leitartikel aus seiner Feder zu vergleichen, der am 6. April vor 10 Jahren in Avvenire veröffentlicht wurde, mit dem vielsagenden Titel: "Wie eine Sprengfalle in die Euthanasie".

2007 behauptete D´Agostino daß fortschrittliche Gesundheitsfürsorgerichtlinien unter bestimmten Umständen als gerechtfertigt und gültig angesehen werden könnten, zu denen er folgende Überlegungen anstellte:

1. Dass der Arzt, der Empfänger dieser Richtlinien, während er die Pflicht habe diese angemessen und ernsthaft zu bedenken, niemals durch ein Gesetz gebunden werden dürfe, sie zu befolgen (genauso wie der Arzt eines kompetenten Patienten nie in einen blinden und passiven Ausführer der Forderungen dieser Person werden darf.)

2.  Dass die Verweigerung einer Behandlung nicht künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr einschließen sollte, weil diese eine "vor-medizinische Form der Lebensunterhaltung, die mit den höchsten ethischen und symbolischen Werten verbunden sind, deren Aufgabe eine besonder heimtückische -weil indirekte Form-von Euthanasie sind." Indem er das behauptete, bezog sich D`Agostino auf das Dokument des Bioethischen Komitées für "fortgeschrittene Gesundheitsfürsorge" vom 18. Dezember 2003.

3. Artikel 3 des Gesetzentwurfs, der derzeit von der Kommission für Soziale Belange geprüft wird, der der ehrenwerte Mario Marazitti vorsitzt, respektiert weder die eine noch die andere dieser beiden Voraussetzungen.
Aber trotzdem schreibt Professor D´Agostino, daß "der Entwurf in keiner Weise auf ein System abzielt, das in Italien die Euthanasie legalisieren würde." Im Gegenteil - nur ein doppelzüngiger und böswilliger Interpret könnte durch eine forcierte Lesart zu so einer Schlußfolgerung kommen."

Es gibt keinen Grund zum Erstaunen in der Tatsache, daß viele katholische Juristen über die Kehrtwende Professor D`Agostinos, der ihrer Vereinigung vorsteht, überrascht waren,

Es ist meiner Meinung nach eine Kehrtwende, die eine Erklärung in einer Position substantieller Zustimmung zum gerade in Prüfung befindlichen Gesetzentwurf findet, die der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, Nunzio Galantino, bei der abschließenden Pressekonferenz des permanenten  Rates des CEI am 26. Januar 2017 ausdrückte.

Bei dieser Gelegenheit sagte Galantino:
"Bei der Kommission für soziale Belange, geleitet vom ehrenwerten Mario Marazziti. bereiten sie einen Text vor. der mit einigem Interesse gelesen werden sollte. Es hat sich klar gezeigt, daß der Person nicht alle Macht zuerkannt werden sollte, weil die Selbstbestimmung die Allianz zwischen Patient, Arzt und Verwandten zerlegt und nur zu einem Triumph des Individualismus führt."

Kurz gesagt, für Galantino stellt der zu untersuchende Text einen guten Kompromiss dar. Ganz auf einer Linie mit der jetzt wohlbekannten Politik des Generalsekretärs der CEI, der sorgfältig jeden
Widerspruch zwischen den Katholiken und der amtierenden Mitte-Links-Regierung vermeidet,
Als ob gesagt werden sollte, daß das Handeln von Katholiken in der Politik von der Sichtweise hoher Kirchenmänner des Tages- also ihm- diktiert werden sollte, in einer anderen Form von Klerikalismus.

Offensichtlich ist die Situation von verschiedenen Gesichtspunkten aus unerfreulich.

Es ist zu hoffen, daß Professor D´Agostino, der von 2007, der ein Mann von erwiesener Intelligenz und Kompetenz ist, mit dem Professor D´Agostino von 2017 die Dinge zurecht rückt.
Und dann vielleicht -mit Bischof Galantino diskutiert - ohne ihm zu sekundieren.

Mit freundlichen Grüßen
Antonio Caragliu

Quelle: Settimo Cielo, Sandro Magister, A. Caragliu







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